Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg machte diese Woche die Runde. Die Polizei hatte St. Pauli verboten, 2.500 Karten für das Heimspiel am 22.April gegen Hansa Rostock an den Gastverein abzugeben. Grund: Mit hoher Wahrscheinlichkeit könne es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fangruppen kommen. Das Brisante hier: Ende April hatte der DFB noch angekündigt keine Strafen mehr für Vereine auszusprechen, die ein Spiel ohne Gästefans zur Folge hätten. Hintergrund, war das sich beim Spiel der Frankfurter Eintracht in Berlin, trotz Verbots von Gästefans zahlreiche Frankfurt Fans ins Stadion „schmuggelten“. Beim Ausschluss der Rostock-Fans jedoch verbot nicht der DFB sondern die Polizei den Verkauf von Gästekarten. Die Bild titelte gleich: „Entscheidet jetzt die Polizei wer ins Stadion darf?“
Juristisch gesehen ist es ein Standardfall der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Prozessual beantragte der St.Pauli ein Eilverfahren, um die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung der Polizei Hamburg wiederherzustellen. (in Nicht-juristisch: Pauli wollte die Anordnung beseitigen).
Das Gericht jedoch bestätigte die Anordnung weil eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach § 3 des Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vorlag. Die Gefahrabwägung ist sehr interessant zu lesen und möglicherweise eine Richtungsweisung für zukünftige Spiele mit Gefahrpotential.
Die Prognose, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Ausschreitungen kommt ergebe sich aus den vergangenen Begegnungen der Vereine. „Fans“ könnten Flaschen, Steine, pyrotechnische Erzeugnisse und Reizgas als Waffen gegen Fans und Polizeikräfte einsetzen. Die Einschätzung der Polizei, der „Nichtverkauf“ der Gastkarten könne verhindern, dass Rostocker Problemfans in großer Zahl zum Spiel anreisten, sei deswegen nicht zu beanstanden. Alternativmaßnahmen im Vorfeld wie Gefährderansprachen, Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote sowie Präventivgewahrsam für Problemfans würden wahrscheinlich keine Gewähr bieten, die bevorstehenden Gefahren abzuwehren oder zu reduzieren urteilte das Gericht weil diese Mittel sich nur gegen eine kleine Zahl von Problemfans richten. Auch polizeiliche Maßnahmen am Spieltag selbst wie Platzverweisungen oder Ingewahrsamnahmen von Störern seien nicht wirksam genug. Selbst ein massiver Einsatz von Polizeikräften bei der Fanüberwachung und -trennung vor, während und nach dem Spiel könne voraussichtlich gewalttätige Ausschreitungen der Fans nicht verhindern.
Demgegenüber sei die Belastung des FC St. Pauli geringer. Dass die Untersagung den Verein finanziell unzumutbar beeinträchtige, habe dieser nicht geltend gemacht.
Bedeutet: Der Verein darf keine Karten an den Gastverein abgegeben.
„Das Urteil stellt einen massiven Eingriff in die Selbstverwaltung des Ligaverbandes dar“, polterte Liga-Präsident Reinhard Rauball in der Bild-Zeitung. Diese wollten ja gerade solche Sanktionen in Zukunft vermeiden.
DFB-Vizepräsident Rainer Koch hingegen sagte der Bild-Zeitung: „Wir würden uns natürlich alle wünschen, dass es im Fußball gar nicht erst zu solchen Eingriffen kommen muss. Aber die Ordnungs- und Sicherheitsbehörden sind für die Sicherheit vor Ort zuständig und müssen das Recht haben, falls erforderlich auch zu solchen Maßnahmen zu greifen.“
Genau das ist der Punkt: Mit Eingriff in die Selbstverwaltung des Ligaverbandes hat das nicht besonders viel zu tun. Eingegriffen wird dadurch zwar in die Selbstverwaltung, doch zu solchen Eingriffen kommt es ständig. Die Frage ist vielmehr ob ein solcher Eingriff auch zweckmäßig oder gerechtfertigt ist. Zwar zählt der DFB in § 7 RuVo-DFB mögliche Strafen auf (mehr dazu hier), dass bedeutet jedoch nicht, dass die Ordnungs-und Sicherheitsbehörden überhaupt kein Recht mehr haben einzugreifen. Ganz im Gegenteil ist es gerade die Aufgabe solcher die Interessen der Allgemeinheit sicherzustellen. Anders wäre es wenn besondere Ordnungs- oder Sicherheitsbehörden des Ligaverbandes die Sicherheit der Allgemeinheit sicherstellen würden. Eine „Bundesliga-Polizei“ ist jedoch in weiter Ferne.
Immerhin dürfen überhaupt noch Gästefans ins Stadion. In Italien oder Polen werden bei brisanten Spielen Gästefans grundsätzlich gar nicht erst zugelassen.