Wiederholungsspiel – Ja oder Nein?

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Beim Relegationsspiel der  1. Fussball-Bundesliga zwischen Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf ereignete sich am Dienstagabend die „Fussball-Schande von Düsseldorf“ (Bild.de).

Hunderte Fussballfans stürmten das Feld. Nichts Ungewöhnliches im Fussball, wenn eine Mannschaft Großes gewinnt oder aufsteigt. Auch Feuerwerkskörper fehlten natürlich nicht. Das Bizarre an der Geschichte: Schiedsrichter Wolfgang Stark hatte die Partie noch nicht abgepfiffen. Es waren erst knapp 5 Minuten statt der empfohlenen 7 Minuten Nachspielzeit gespielt worden. Doch das hatten wohl nicht alle mitbekommen. Die Partie wurde für 20 Minuten unterbrochen und  schliesslich wieder angepfiffen und zu Ende gespielt. Geändert hat sich das Ergebnis nicht: Hertha BSC ist abgestiegen.

Doch unabhängig davon ob es beide Mannschaften nach den Ereignissen verdient haben aufzusteigen, wie sieht es eigentlich rechtlich aus? Bleibt die Hertha erstklassig, weil sie am „Grünen Tisch“ gewinnt?

In § 13 SpoL steht:

„Nach § 17 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB gilt bei Einspruch gegen die Spielwertung folgende Regelung:

  1. Einsprüche gegen die Wertung von Bundesspielen müssen innerhalb von zwei Tagen nach Ablauf des Tages, an dem das Spiel stattgefunden hat, bei der DFB Zentralverwaltung schriftlich eingelegt und in kurzer Form begründet werden.“

Genau das hat Hertha BSC auch getan. Die „mediale“Begründung von Christoph Schickhardt (Anwalt von Hertha BSC) sah ungefähr so aus:

„Die Spieler saßen mit Todesangst leichenblass in der Kabine. Im Gesetz steht: Wenn Einflüsse von außen auf ein Spiel treffen, die nichts mit dem Spiel zu tun haben, muss wiederholt werden. Der Schiedsrichter Wolfgang Stark hat die Mannschaft nicht wegen des Fußballs auf den Platz zurückgeführt, sondern wohl nur auf Bitten der Polizei, um eine Eskalation – man hat von einem Blutbad gesprochen – zu verhindern. Es war ein irreguläres Spiel. Hier müssen der Deutsche Fußball-Bund und die Deutsche Fußball Liga deutliche Worte sprechen. Man denke mal an einen kleinen Verein wie Dynamo Dresden – die wurden in erster Instanz sogar aus dem DFB-Pokal ausgeschlossen.“ (zum Dresden Urteil hier)

Muss also das Spiel wiederholt werden weil die Todesangst habenden und leichenblassen Spieler nur noch aufs Spielfeld zurück gekommen sind weil sie ein Blutbad verhindern wollten?

§ 14 Nr.4 SpoL zumindestens sagt:

Wird ein Bundesspiel ohne Verschulden beider Mannschaften vorzeitig abgebrochen, so ist es an demselben Ort zu wiederholen.“

Schiedsrichter Wolfgang Stark hatte sich gegen einen Spielabbruch entschieden. Was bleibt ist also der Einspruch. Einsprüche gegen die Spielwertung können nach § 13 Nr.2b SpielO  u.a. mit folgender sachlicher Begründung erhoben werden:

Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht

Ein Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang stand, war für den Schiedsrichter gerade nicht erkennbar. Er bewertete die Umstände so, dass er das Spiel zu Ende führen wollte, wobei er sich explizit den Rat der Polizei holte.

Anders als bei Tatsachenentscheidung wie etwa dem zu Unrecht gegebenen Elfmeter, handelt es sich hier um eine juristisch anfechtbare Tatsachenentscheidung, auch wenn dem Schiedsrichter mit der Polizei hier ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzusprechen ist.

Argument der Hertha ist  folgendes: Die Spieler seien nur noch auf das Spielfeld gegangen, weil die Polizei gesagt hat, dass es sonst zu einem „Blutbad“ gekommen sei.

Oder etwas milder Michael Preetz: „Der Schutz von Hertha BSC als Gastmannschaft war in dieser Phase des Spiels in keiner Weise gewährleistet. Der Schiedsrichter hat uns aufgefordert, trotz dieser Ereignisse und der Gefährdung auf den Platz zurückzukehren, um die weitere Eskalation zu verhindern.“

Wenn der Schiedsrichter tatsächlich die Spieler aufgefordert hat „trotz Gefährdung“  auf den Platz zu gehen „um Eskalation zu verhindern“, könnte man wohl gut von einem  Umstand sprechen der unabwendbar war und zur Schwächung der Teams geführt hätte. Unabwendbar weil die Eskalation drohte und die Schwächung wegen dem enorm hohen psychischen Druck, bei vielen sogar die pure Angst. Die Unterbrechung des Spiels und dessen Fortsetzung für die zwei letzte Minuten betraf zwar beide Mannschaften gleichermaßen, nur mussten die Düsseldorfer kein Tor mehr erzielen und dürften wohl weniger „Angst“ vor den eigenen „Fans“ gehabt haben.

Ist der Grund für den Abbruch jedoch tatsächlich der gewesen, dass Schiedsrichter und Polizei die Situation als nicht gefährlich einstuften und deswegen wieder angepfiffen wurde, dürfte es zu keinem Wiederholungsspiel kommen. Dies ist meiner subjektiven Meinung nach hier aber nicht der Fall gewesen. Anders als etwa bei Vorfällen der Hertha oder in Frankfurt, hat es sich hier nicht „nur“ um gewaltbereite Hooligans gehandelt die mit Gewalt drohten oder gar bewaffnet waren. Beurteilen können das jedoch nur die Personen vor Ort.

Interessant aber auch dieser Gedanke: Was wäre eigentlich passiert, wenn die Hertha nicht mehr rausgekommen wäre? Das Spiel wäre abgebrochen worden. Juristisch jedenfalls wäre das Fernbleiben auf jeden Fall vertretbar gewesen. Das Spiel hätte dann sogar mit 0:2 gegen Fortuna Düsseldorf gewertet worden können, wenn man die Ereignisse Fortuna Düsseldorf als Verschulden zugerechnet hätte (§ 14 Nr. 4 Spol). Im Hinblick darauf erscheint ein Wiederholungsspiel gerecht.

Die entscheidene Frage ist aber: Wurden die Spieler aufgefordert zu spielen, weil sonst ein Blutbad drohte, oder weil die Lage sich entspannt hat. Die Entscheidung erst mal nicht aufs Feld zu gehen, war jedenfall bestimmt nicht nur aus Angst motiviert,  sondern wohl auch dem juristischen Geschick des Hertha Anwalts verdankt. So kann jedenfalls im Nachhinein die „Angst-Karte“ gespielt werden. Warum die Hertha Spieler, allen voran Levan Kobiashvili, nach dem Spiel aus Angst auf den Schiedsrichter losgegangen sind und ihn beschimpften ist eine andere juristische Geschichte.

Jedenfalls ist am Freitag mit Spannung auf das Sportgericht des DFB zu schauen. Die Möglichkeit eines Wiederholungsspiel scheint zumindestens nicht unrealistisch.

Gründer von Fussball-Geld.de. Studierter Jurist und Master im Sportmanagement. Interesse für Zahlen, Übersichten, Recht und wirtschaftliche Hintergründe im Fußball.

Discussion8 Kommentare

  1. Woraus ergeben sich denn die Rechtsfolgen des Einspruchs nach §13 der Spielordnung? Dort und in § 13a selbst sind ja nur Folgel bei Dopingfällen und Spielmanipulationen geregelt. Was bei „Schwächung der eigenen Mannschaft“ passieren soll findet sich nirgendwo.
    Eine Analoge zu § 14 wird es ja wohl nicht geben, da es gerade keinen Spielabbruch gab.

    • Fussball-Recht

      Das ergibt sich aus § 13 Nr.6 SpOL: „Wird auf Spielwiederholung erkannt, ist das Spiel grundsätzlich am gleichen Ort neu
      auszutragen.“
      Das bedeutet aber nicht, dass wenn der Einspruch erfolgreich ist automatisch auf Wiederholung entschieden werden muss, es handelt sich um eine „kann“ Vorschrift. Weitere Strafen ergeben sich aus § 12 SpOL i.V.m § 7 Rechts- und Verfahrensordnung DFB.

  2. Die Frage, auf die es hinausläuft, ist doch: kann die Hertha eine „Schwächung der Mannschaft“ beweisen, die Voraussetzung für ein Wiederholungsspiel ist?

    Vergleichbare Fälle waren z.B. Verletzung eines Spielers durch Münz- oder Feuerzeugwurf.

    Hier hat die Hertha aber in unveränderter Aufstellung nach der Spielunterbrechung weitergespielt. Die Unterbrechung alleine kann nicht als „Schwächung der Mannschaft“ herhalten, denn sonst könnte ja jede unterlegene Mannschaft nach Unterbrechungen durch Nebel, Flutlichtausfall oder ähnlichen Fällen höherer Gewalt („unabwendbarer Umstand, der nicht mit dem Spiel in Zusammenhang steht“) ihren Protest gegen die Spielwertung durchbringen.

    Hertha BSC unterstellt hier der Polizei, sie hätte die Gesundheit der Spieler riskiert, um die des Publikums nicht zu gefährden. Diese Behauptung wird dummerweise durch folgende Tatsachen widerlegt:
    – es gab keine Gewalttätigkeiten beim Spielfeldsturm, weder bei den Fans untereinander noch gegenüber den Hertha-Spielern. Diese schlenderten durch die Fanpulks hindurch gemächlich zum Spielfeldrand, ohne behelligt zu werden (auf den Fernsehbildern gut erkennbar an den dunklen Trikots mit hellem Fleck auf der Brust).
    – auch die Spielfeldräumung verlief ohne Zwischenfälle und friedlich, die Gefahr eines „Blutbads“ war niemals auch nur ansatzweise zu erkennen.
    – weder vor noch nach der Unterbrechung war den Hertha-Spielern Angst aus dem Gesicht zu lesen oder an der Körpersprache zu erkennen. Die Darstellung des Anwalts passt also eher ins Märchenbuch als in eine Begründung zum Protest.

    Außerdem ist davon auszugehen, dass kein verantwortlicher Einsatzleiter der Polizei Spieler aufs Feld schickt, wenn er nicht für deren Sicherheit garantieren kann. Die persönliche Haftung, falls er dies doch getan hätte, wäre unabsehbar.

  3. Weiterhin hat der Düsseldorfer Polizeipräsident längst der Behauptung von Herrn Schickhardt widersprochen, man habe den Schiedsrichter gebeten das Spiel fortzusetzen um eine weitere Eskalation zu verhindern. Die Polizei hat mehr als deutlich klargestellt, dass keine Gefahr bestand und man eher Verständnis hätte haben müssen, wenn der Schiedsrichter wegen der Herthaner Ausschreitungen ab dem Tor zum 2:1 abgebrochen hätte.

    Weiterhin wurde bereits klargestellt, dass das Spiel 2:0 für Fortuna Düsseldorf gewertet worden wäre, wenn die Hertha in der Kabine verblieben wäre, also bitte nichts verdrehen.

    Wer berichtet eigentlich über die Menschen, die durch Herthaner verletzt wurden, weil diese Bengalos, Stangen und Böller nicht nur auf Polizisten, Ordner und eigene Spieler warfen, sondern auch in angrenzende Fanblöcke? Ich selbst habe einen Teil meines Hörvermögens auf meinem linken Ohr verloren. Und dann muss ich mir anhören lassen, dass es ein Wiederholungsspiel geben muss, weil die Fortuna so furchtbar böse sein soll?

    Lächerlich. Wenn das durchkommt, dann ist nicht nur der deutsche Fussball, sondern der deutsche Rechtsstaat endgültig zur Bananenrepublik verkommen.

  4. Pingback: DFB-Sportgericht: Einspruch abgelehnt

  5. Michael Wegener

    1. Die Nachspielzeit von 7 Minuten haben zunächst einmal die Hertha-„Fans“ „erreicht“ durch das Abbrennen der Bengalos und vor allem das Werfen der Feuerwerkskörper direkt auf den Platz unmittelbar im Anschluss an das 2:1 für Fortuna nach dem Kopfballtor des Fortuna-Spielers Jovanovic.

    2. Das kann nicht Fortuna oder den Stadionverantwortlichen in Düsseldorf angekreidet werden, da zu 100 Prozent sichere Kontrollen beim Einlass nicht möglich sind, wie in den letzten Tagen mehrfach von allen Seiten versichert wurde, da andererseits der zeitliche Rahmen vor dem Anpfiff der Fußballspiele völlig gesprengt würde.

    3. Das Spiel hätte, wenn überhaupt, mit Abbrennen dieser Bengalos bereits abgebrochen werden müssen, weil zu diesem Zeitpunkt faktisch die Sicherheitslage im Stadion, vor allem auch für die Spieler, und hier fast nur interessanterweise der Hertha-Spieler, mehr als brenzlig und gefährdet war. Wie ein Abbruch sich zu diesem Zeitpunkt ausgewirkt hätte, hätte dann rechtlich eine ganz andere Bewertung nach sich ziehen können, wobei ich für diesen Fall Hertha BSC erst Recht im Nachteil sähe! Der Abbruch wäre schließlich durch Hertha-Fans provoziert worden!

    4. Der Schiedsrichter konnte und musste nach Rücksprache mit der Polizei und den Ordnungskräften das Spiel wieder anpfeifen, nachdem die auf den Platz gestürmten Fortunaanhänger wieder den Platz friedlich verlassen hatten. Herr Stark hat seinen Ermessensspielraum nach meinem Dafürhalten erkannt und im Ergebnis auch richtig ausgeübt.

    5. Psychologische Beeinträchtigungen der Hertha-Spieler haben erkennbar nicht vorgelegen. Sicherlich waren die Hertha-Spieler von der Szenerie „beeindruckt“, aber die Fortuna-Spieler doch im selben Umfang auch!
    Wären die Hertha-Spieler bereits nach dem Abbrennen der Bengalos durch die eigene Fankurve so beeinträchtigt gewesen, dass sie nicht mehr hätten weiterspielen können, so hätte ich einen Abbruch durch die Hertha-Spieler bzw. deren Verantwortlichen zu diesem Zeitpunkt nachvollziehen könnnen.
    Nichts von alledem ist aber passiert; vielmehr halfen die Hertha-Spieler richtigerweise dabei, die brennenden Bengalos wieder vom Rasen zu entfernen.
    Da waren die Hertha-Spieler erstaunlich cool und unbeeindruckt…

    6. Mein Fazit: Hier versucht ein sportlich abgestiegener Verein zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Es ist einfach lächerlich und unverschämt, zu behaupten, die Hertha-Spieler hätten „Todesangst“ gehabt beim verfrühten Betreten der Fortuna-„Fans“
    1 Minute vor dem regulären Ende.

    Die Hertha-Verantwortlichen sollten sportliche Größe zeigen und den Berufungsantrag zurückziehen, da es mangels weiterer, neuer Argumente, die für eine rechtliche Verpflichtung des Schiris Stark gesprochen hätten, das Spiel abzubrechen und nicht wieder anzupfeifen, keine Grundlage für ein abweichendes Urteil in der
    2. Instanz geben kann.

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