Das Oberlandesgericht Bremen (OLG) hat den Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven aus der Regionalliga Nord 2013/2014 für unwirksam erklärt. Im Fall geht es um nicht gezahlte Ausbildungsentschädigungen des Vereins an zwei argentinische Vereine. Laut OLG verstoßen Fifa-Vorschriften zur Ausbildungsentschädigungen gegen Europa-Recht.
Seit mehr als sieben Jahren kämpft der SV Wilhelmshaven gegen die FIFA und deren Vorschriften. Nach mehreren Prozessen bei Sportgerichten, zuletzt beim Internationalen Sportgerichtshof CAS, wurde nun der Zwangsabstieg für unwirksam erklärt. Doch warum rückt der Fall des mittlerweile Sechstligisten so in den Fokus der Öffentlichkeit? Wie gehen in Folge etwas näher auf den Fall und dessen Bedeutung ein.
Um was geht es überhaupt in dem Fall?
Es geht um den ehemaligen Spieler Sergio Sagarzazu. Der Verein hatte den damaligen Amateurspieler ab der Rückrunde 2006/2007 sowie für die Saison 2007/2008 als Berufsspieler verpflichtet. Sargazazu hat neben der argentinischen auch die italienische Staatsangehörigkeit. Als der Spieler wieder nach Argentinien zurückkehrte forderten die argentinischen Klubs River Plate und Atletico Excursionistas Ausbildungsentschädigungen von insgesamt 160.000 Euro.
Wie ging es weiter?
Zunächst ein kleiner Überblick mit späterer Erläuterung. Wer sich mit den verschiedenen Instanzenzügen nicht auskennt oder den Punkt zu kompliziert und uninteressant findet: Einfach überspringen!
- Wilhelmshaven weigerte sich zu zahlen
- Argentinischen Vereine rufen „Dispute Resolution Chamber“ in Zürich an: Argentinischen Vereine haben Recht auf Ausbildungsentschädigungen in Höhe von 157.500
- Wilhelmshaven geht in Berufung: „Court of Arbitration for Sports“ (CAS) bestätigte die Entscheidung
- Folge: FIFA-Disziplinarkommission verhängte Geldstrafen, Punktabzüge sowie Zwangsabstieg
- 20.02.2014 : Verbandsgericht des NFV: Beschwerde von Wilhelmshaven wird zurückgewiesen
- 25.04.2014: LG Bremen: Klage von Wilhelmshaven wird abgewiesen
- 30.12.2014: OLG Bremen: Berufung von Wilhelmshaven mit der Folge, dass Urteil LG Bremen abgeändert wird und Zwangsabstieg für unwirksam erklärt wir
- Zukunft: Revision beim Bundesgerichtshof (BGH)
Weil Wilhelmshaven sich weigerte zu zahlen, ordnete die FIFA-Disziplinarkommission verschiedene Sanktionen an, der vom Norddeutschen Fußballverband (NFV) vollzogen wurde. Zuletzt hatte der NFV am 13.01.2014 gegenüber der in der Regionalliga Nord spielenden Wilhelmshavener den Zwangsabstieg zum Ablauf der Saison 2013/2014 ausgesprochen. Der Verein legte Beschwerde beim Verbandsgericht des NFV ein, welches mit Urteil vom 20.02.2014 zurückgewiesen wurde. Das Landgericht Bremen (LG) hat mit Urteil vom 25.04.2014 die Klage abgewiesen. Es war der Auffassung, dass der Verein die Entscheidungen der FIFA gewissermaßen als deren Vollstreckungsorgan umzusetzen und keine eigene Entscheidungskompetenz habe. Das OLG Bremen hat nun am 30.12.2014 das Urteil des LG Bremen abgeändert und den Zwangsabstieg für unwirksam erklärt. Der NFV legt Revision ein und wird bei dem Gang vor den Bundesgerichtshof vom DFB unterstützt. Der Fall hat eine „grundsätzliche Bedeutung“ und ist deswegen zugelassen.
Warum soll Wilhelmshaven eigentlich zahlen?
§ 20 FIFA-Reglement Bezüglich Status und Transfer von Spielern (FIFA-Reg) in Verbindung mit Anhang IV regelt detailliert die Berechnung der Ausbildungsentschädigung.
Der NFV ist der Meinung, er sei an die Vorgaben der FIFA und der Sportgerichte aufgrund der DFB-Satzung gebunden. Eine eigene Prüfungskompetenz stehe ihm gar nicht zu. Er sei damit der falsche Beklagte, weil er lediglich die von der FIFA-Disziplinarkommission ausgesprochenen Sanktionen umsetze, die wiederum auf einer rechtskräftigen Entscheidung des CAS beruht, die Ausbildungsentschädigung zu bezahlen.
Warum will Wilhelmshaven nicht zahlen?
Wilhelmshaven ist der Meinung die Ausbildungsentschädigungen seien europarechtswidrig (Artikel dazu hier), weil der Spieler als italienischer Staatsangehöriger in seinem aus Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) folgenden Recht auf Freizügigkeit verletzt werde, worauf sich auch der Verein berufen könne.
Das Urteil
Nach Ansicht des OLG müssen der NFV und der DFB die Entscheidungen der FIFA darauf überprüfen, ob diese gegen zwingendes nationales oder internationales Recht verstoßen. Jedenfalls folge dies aus § 17a Abs. 2 der DFB-Satzung.
„Dies sei hier der Fall, weil die festgesetzten Ausbildungsentschädigungen das Recht des Spielers auf Freizügigkeit nach Artikel 45 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verletzten, worauf sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auch der Verein, der die Ablösesumme zu zahlen habe, berufen könne.“
„Die Europarechtswidrigkeit folge außerdem daraus, dass nach den maßgeblichen Vorschriften der Fifa die Ausbildungsentschädigungen nach den pauschal eingeschätzten ersparten Ausbildungskosten des übernehmenden Vereins bemessen worden seien und nicht entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs“.
Die Folgen
Es wird mit Spannung zu erwarten sein, was der BGH zu dem Fall sagt. Wie verhält sich das Verbandsrecht zum nationalen Recht?
Die Meinung des DFB ist eindeutig:
„Wenn Streitigkeiten vor nationalen Gerichten in den Mitgliedsländern verhandelt und unterschiedlich beurteilt werden, wird das weltweit anerkannte System des Sports außer Kraft gesetzt. Wir sehen das Urteil aus diesem Grund sehr kritisch und unterstützen den NFV bei seinem Gang vor den Bundesgerichtshof“, sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch.